Aber alle starrten gespannt auf die Leinwand – nur der junge Mann zu ihrer Rechten warf, so schien es ihr, hie und da recht ungenierte Blicke auf sie. Und richtig, als der schon recht abgenutzte Film wieder einmal gerissen war und eine kleine Pause eintrat, da versuchte der blöde Heini (wie Hedwig ihn im stillen betitelte) bei ihr anzubandeln.
„Aparte Frisur haben sie, gnädiges Fräulein, ist wohl der neueste Look jetzt, habe ich so noch nicht gesehen!“ schnarrte er. Nein, fing der Kerl gleich mit ihrer Frisur an, das war doch die Höhe!
Hedwig schwieg.
„Ganz grossartiger Film das, das waren noch Kriege damals – der Regisseur versteht sein Geschäft! Gehen sie auch so gern ins Kino, Fräulein?“
„Ja, komme aber nicht so oft dazu.“
„Da geht es ihnen so wie mir, immer so viel Arbeit, und wenn man fremd ist hier, so wie ich, da sitzt man abends oft recht einsam auf seiner Bude." Hedwig schwieg weiter.
„Fräulein, darf ich die Frage wagen: könnten wir nicht nachher eine Tasse Kaffee miteinander trinken?“
„Danke, ich trinke keinen Kaffee.“
„Oh, das ist schade, aber vielleicht ziehen sie eine Schokolade vor, oder ein Gläschen Südwein, etwas ganz Exquisites ...“
Plötzlich war das Licht wieder aus, Hedwig war vorläufig einer Entscheidung enthoben. Die Krieger der Mahdi tobten weiter mit Gebrüll über die Leinwand, es wurde schon ekelhaft, dieses Blutvergiessen – Moni wäre schon längst ausgerückt.
Glücklicherweise trug nur ein einziger Negerstamm Hedwigs Frisur, und ausserdem konnten die Aufständischen natürlich nicht auf die Dauer den heldenhaften Briten Widerstand leisten.
Als das Publikum sich hinausdrängte, war da doch wieder die Stimme:
„Also, verbleiben wir dabei, gnädiges Fräulein, zu einer Tasse Schokolade oder einem Gläschen Südwein, ich weiss da ein sehr nettes Cafe gleich in der Nähe ...“
„Danke , nein, Wein trink ich auch nicht, und ausserdem ist es schon halb acht Uhr, meine Schwester wartet daheim auf mich und weiss nicht, wo ich so lange geblieben
bin, ich wollte ja eigentlich nur zum Friseur gehen ..."
„Aha, daher die aparte neue Frisur! Aber dann ein andermal, sie würden mich glücklich machen! Wie wäre es mit dem nächsten Dienstag, hätten sie da ein Stündchen Zeit für eine einsame Seele? Um acht Uhr im Cafe Ringler? Bitte sagen sie ja, sie machen mich zum glücklichsten Menschen der Welt!“
Jetzt musste Hedwig wirklich lachen.
„Na, sie Sprüchemacher! Wie vielen Mädchen haben sie denn das schon gesagt? Na ja, ich will mirs überlegen – vielleicht komme ich, aber nur vielleicht!“
Und während der ca. 28 jährige sich eine Zigarette anzündete, verschwand Hedwig im Dunkel der Altstadtgassen.
Monika hatte schon lange den Tisch gedeckt und wartete hungrig auf die Rückkehr der Schwester. Sie sah zur Tür, als sie draussen die vertrauten Schritte hörte, aber sie erschrak, was da für ein fremder Mensch im Türrahmen stand:
„Ja Hedi, was haben sie denn mit dir gemacht? Sind d a s die neuen Dauerwellen? Ja schau doch mal in den Spiegel!
Jetzt brauchst du dich bloss noch braun anmalen und die Lippen knallrot und die Stöckelschuhe anziehen ...“
„...und einen Ring durch die Nase, was?“
„Ja, den meinetwegen auch noch, und dann in die Bahnhofstrasse gehen, dann nimmt dich jeder schwarze Mac mit in seinen Cadillac!“
„Du bist gemein! Das ist die neueste Frisur, wie man sie jetzt in New York hat, der New Look, und wenn du kein Verständnis hast für modische Dinge, so kann ich dir auch nicht helfen. Natürlich ist die Frisur noch nicht ganz fertig, die Wellen werden sich in ein paar Tagen wieder glatter legen und nicht mehr so abstehen!“
„Na, weisst du, das Gescheitste wäre, den ganzen Kram noch mal abschneiden, so ganz kurz habens manche Mädel jetzt bei uns in der Schule, Windstossfrisur heisst man es, das tät dir sicher gut stehen – und ist auch sehr praktisch, brauchst bloss mit den Fingern durchs Haar zu fahren und schon bist du gekämmt! Geh doch noch mal zu dem Friseur, für das viele Geld muss er dich doch so herrichten, dass man dich anschauen kann ...“
„Jetzt hör aber auf, du verstehst nichts von Frisuren und zu dem Friseur geh ich nicht mehr, da kannst du sagen was du willst!“
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